Andreas Keel
Im Juni hat das Schweizer Volk das Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen mit einer geringen Mehrheit von 51,6 Prozent abgelehnt. Andreas Keel, Geschäftsführer von Holzenergie Schweiz, hat sich für das CO2-Gesetz engagiert. Was die Entscheidung für die Schweizer Energiepolitik bedeutet, erläutert er im Interview mit Pelletshome.com.
Herr Keel, wie fühlen Sie sich nach der hauchdünnen Niederlage?
Wir mussten schon recht früh damit rechnen, denn die terminliche Verknüpfung mit den Abstimmungen über die Agrarinitiativen war für das CO2-Gesetz sehr ungeschickt. Da war insgesamt für viele Leute wohl zu viel Grün drin. Es wäre aber falsch, den Entscheid als Verdikt gegen die einheimischen und erneuerbaren Energien zu interpretieren. Gerade im ländlichen Raum genießt zum Beispiel die Holzenergie einen sehr hohen Stellenwert. Die Leute wissen ganz genau, dass sie mit der nachhaltigen Nutzung des Waldes große Mengen fossiler Energie ersetzen können und damit regional verankerte Arbeitsplätze in verschiedensten Branchen schaffen.
Woher nehmen Sie diese Gewissheit?
Ganz einfach: In den vergangenen Jahren entstanden auch im ländlichen Raum zahlreiche Holzenergieprojekte. Heizzentralen, die mit Holzhackschnitzeln direkt aus dem lokalen und regionalen Wald betrieben werden und via Wärmenetze ganze Quartiere und Gemeinden mit Wärme versorgen. Die Anlagen haben sich bewährt, sind robust und zuverlässig. Solche Projekte basieren meistens auf Volksentscheiden in den Gemeinden. Sie sind sozusagen basisdemokratisch legitimiert und deshalb in der Bevölkerung sehr gut verankert. Die Leute wollen erneuerbare Energien nutzen, wenn sie derart gut funktionieren wie die Holzenergie.
Muss man angesichts der Entwicklung nicht langsam Angst haben, dass dem Wald das Holz ausgeht?
Es ist schön, dass sich die Leute Sorgen um den Wald machen. Die Sorgen sollten sich aber nicht um die Frage seiner Übernutzung drehen, denn auch heute noch wächst im Schweizer Wald viel mehr Holz nach als wir nutzen. Sehr strenge gesetzliche Rahmenbedingungen verunmöglichen in der Schweiz eine Übernutzung des Waldes. Die Sorgen sollten sich vielmehr mit den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Wald befassen. Beispielsweise mit der Tatsache, dass unsere wichtigsten Baumarten im Mittelland, das sind die Buche, Rot- und Weißtanne, in den nächsten Jahrzehnten den Hitze- und Dürreperioden nicht werden standhalten können und durch klimaresistente Baumarten zu ersetzen sind. Der Umbau des Waldes ist eine gigantische Herausforderung. Er wird die anfallenden Holzmengen noch deutlich erhöhen. Und je höher künftig der Anteil an Laubbaumarten wird, desto höher wird der Anteil an Energieholz. Dabei werden wir immer darauf achten, dass die Nutzung im Kreislauf der Natur stattfindet, dies im Gegensatz zum Raubbau, der für die fossilen Energien oder für das Uran betrieben werden muss.
Wie hoch schätzen Sie das brachliegende Energieholzpotenzial ein?
Wir haben soeben die aktuellsten Zahlen der Schweizerischen Holzenergiestatistik 2020 des Bundesamts für Energie erhalten. Aktuell liegt die Jahresnutzung bei knapp 5,6 Millionen Kubikmetern. Diese Holzmenge ersetzt umgerechnet mehr als eine Million Tonnen Heizöl und erspart der Atmosphäre rund 3,3 Millionen Tonnen zusätzliches Kohlendioxid. Das relativ einfach nutzbare, zusätzliche Potenzial liegt zwischen zwei und 2,5 Millionen Kubikmeter. Davon stammt gut eine Million Kubikmeter direkt aus dem Wald. Landschaftspflegeholz, Restholz aus der Holzindustrie sowie Altholz liefern den Rest. Grob gesagt könnten wir die heutige Nutzung also problemlos um über 40 Prozent erhöhen und damit etwa eine halbe Million Tonnen klimaschädliches Heizöl bei den Ölscheichs und Oligarchen lassen. Besonders reizvoll finde ich die damit verbundenen ökonomischen Aspekte. Eine halbe Million Tonnen Heizöl kosten derzeit mehr als 50 Millionen Franken. Dieses Geld würde man doch lieber dem einheimischen Gewerbe geben als dem Multimilliardär in Saudi-Arabien.
Der Anteil der Holzenergie zum Heizen ließe sich in der Schweiz nach Studien auf 16 bis 18 Prozent steigern – ohne Übernutzung des Waldes. Doch was ist mit den Feinstaubemissionen?
Seit 1990 hat die Menge des genutzten Energieholzes von 3,25 auf knapp 5,6 Millionen zugenommen. Gleichzeitig nahmen die Feinstaubemissionen aus allen Holzfeuerungen um zwei Drittel ab, von fast 7.000 auf 2.000 Tonnen pro Jahr. Mehr Holzenergie bedeutet also weniger Feinstaub. Gemessen an ihrer quantitativen Bedeutung stoßen die kleinen, von Hand beschickten Feuerungen etwas mehr Feinstaub pro produzierte Kilowattstunde Energie aus. Aber auch bei ihnen hat der technische Fortschritt – wie bei allen anderen Holzfeuerungsarten – eine außerordentliche Reduktion der Emissionen ermöglicht.
Welche Hürden müssen Ihrer Ansicht nach fallen, damit das heute noch brachliegende Energieholzpotential möglichst schnell und vollständig verwertet wird?
Die größte Hürde sind die Scheuklappen in unseren Köpfen. Sie hindern viele Menschen daran, nach links und rechts zu schauen und einen Überblick über das Ganze zu erhalten. Stattdessen richten wir unseren Blick starr auf einen einzelnen Teilaspekt, blenden alles andere aus und finden so natürlich problemlos einen Vorwand, um das Ganze abzutun. Der Feinstaub oder der verklärte Wunsch nach einem unberührten, CO2-speichernden Märchenwald sind schöne Beispiele für diese Art von Luxusproblemen.
Das Interview hat Holzenergie Schweiz zur Verfügung gestellt. Es wurde von der Pelletshome-Redaktion bearbeitet.